Die Fischer-Story:
Über Klopapier und Kanban

Kanban, auf eine einfache Formel gebracht, ist ein Werkzeug zum Managen von Dingen. Kanban wurde entwickelt, um in der Produktion auf sehr effektive Weise Verschwendung durch Überproduktion zu verhindern und damit die Herstellungskosten zu reduzieren. Aber was hat das mit Toilettenpapier zu tun? Bei Fischer sehr viel, denn hier hat man alle Verbrauchsmaterialien bis hin zum Toilettenpapier ins Kanban-System eingegliedert. Ungewöhlich? Sicher. Und effektiv! Lesen Sie hier wie eine Überzeugung Erfolgsgeschichte schreibt.

Fischer Systemmechanik wurde 1981 von Reinhold Fischer in einer Garage gegründet, wie so viele Unternehmen der Region. Heute gilt der auf die Anfertigung hochpräziser Serienteile und Baugruppen aus Edelstahl und Aluminium spezialisierte Zulieferer europaweit als Vorzeigebetrieb für die konsequente Weiterentwicklung der smarten Produktion nach dem Toyota Produktionssystem. Die hochpräzisen Serienteile und Baugruppen aus Edelstahl und Aluminium werden schlank, mit einfachen Maschinen, ohne Roboter und überaus „smart“ gefertigt.

Alles begann mit einem Problem. 1997 lernte Reinhold Fischer in einem Workshop von Hitoshi Takeda das aus Japan stammende Produktionssystem kennen. Damals suchte der Unternehmer nach einem Weg, seine Lieferzeiten in den Griff zu bekommen. Das Problem: Die ständig wachsende Nachfrage ließ die Lieferzeiten explodieren. Noch in derselben Nacht stellte Reinhold Fischer seine Maschinen zu einer Linie um. Denn eines wusste der Unternehmer: Wer eine Idee hat, muss innerhalb von 72 Stunden handeln. Bis heute verfeinert man bei Fischer das Prinzip der „sich selbst steuernden Fabrik“, in der alles darauf ausgelegt ist, Verschwendung zu vermeiden, mit deutscher Gründlichkeit.

Aber was heißt eigentlich Verschwendung vermeiden? Wer das verstehen will, wirft am besten einen Blick auf die Zahlen. Bei Fischer fertigen 60 Mitarbeiter auf 6.000 Quadratmeter und 185 CNC-Maschinen rund 1.000 verschiedene Artikel jährlich. Die Stückzahlen liegen dabei zwischen 200 und 1 Million im Jahr, was bedeutet, dass von einzelnen Artikeln tatsächlich die tägliche Losgröße von eins gefertigt wird! 70% der gefertigten Ware wird täglich und pünktlich beim Kunden angeliefert. Möglich ist das, weil die Zielkunden von Fischer regional sind. 

Präzision, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind die Stärken von des synchronen Produktionsunternehmens, die Kunden aus Luftfahrt, Maschinenbau, Fahrzeug- und Medizintechnik, unter ihnen rund 80% langjährige Stammkunden, schätzen diese Stärken. Möglich macht das die Uhrwerk-gleiche Taktung des gesamten Betriebs. Bei Fischer wird „in Linie gefertigt“. Im Unterschied zur konventionellen Fließbandarbeit, bei der ein Mitarbeiter den ganzen Tag nur sehr wenige Handgriffe ausführt, fertigt bei Fischer jeder einzelne

Mitarbeiter ein Werkstück komplett in Eigenregie. Dabei ist jede Bewegung, jeder Handgriff aufs feinste optimiert. Jede Stunde kommt auf die Minute pünktlich der firmeninterne „Versorgungszug“ an der Fertigungslinie an. Der liefert den Nachschub direkt an die Maschine, bringt auch die Fertigware, die Werkzeuge und nimmt Kanbankarten mit. Bei einer Linienfertigung sind Maschinen und Prüfstationen im U aufgestellt, die Fertigung läuft links herum, weil die meisten Menschen Rechtshänder sind und das der Ergonomie entspricht. So spart man wertvolle Sekunden!

Doch nicht nur das einzelne Teil, der gesamte Betrieb läuft links herum! Auf diese Weise ist sicher gestellt, dass kein einziges Teil überflüssige Wege macht oder im Zickzack durch den Betrieb läuft. Vom Wareneingang bis zum Warenausgang ist jeder Handgriff optimiert, auch das Umrüsten der Maschinen. Weil bei einer synchronen Produktion kleine wie hohe Losgrößen zum selben Preis gefertigt werden, müssen die Maschinen blitzschnell umrüstbar sein.

Umrüsten bei Fischer ist wie der Reifenwechsel bei der Formel eins, meint Jakob Penz. Penz ist Produktionsleiter bei Fischer Systemmechanik. Eine seiner Aufgaben besteht darin, die Mitarbeiter im Umrüsten zu trainieren. "Beim Umrüsten von Maschinen ist es wie beim Reifenwechseln", findet er. "Wenn man es bloß zweimal im Jahr macht, dauert es eine Stunde. Bei der Formel eins braucht das Team nur wenige Sekunden, einfach weil es täglich trainiert." Bei Fischer wird an jeder Produktionslinie täglich umgerüstet, an vielen Linien sogar mehrmals pro Tag. Weil das gesamte Material direkt an der Maschine und mit einem einzigen Handgriff verfügbar ist, beträgt die Umrüstzeit pro Maschine bei Fischer maximal zwei Minuten. Danach ist alles fertig für das neue Serienteil.

Markenzeichen der synchronen Produktion bei Fischer ist neben dem fixen Umrüsten und der hohen Flexibilität der Maschinen der konsequente Einsatz von Kanban: Durch den Verbrauch einer bestimmten Anzahl von Teilen wird durch die Kanbankarte automatisch die Bestellung ausgelöst. Und zwar sowohl beim Kunden wie auch im Unternehmen selbst. Auf der Kanbankarte sind Artikel und Menge verzeichnet. Sogar für's Toilettenpapier gibt es eine eigene Karte. Einkauf, Logistik oder Lagerhallen sucht man bei Fischer vergeblich.

Ein Fertigungsunternehmen, das 1.000 verschiedene Artikel fertigt und alles ohne Bestände? Wie sehr diese sich selbst steuernde Produktion ohne Lager, Controlling, Planung und sogar ganz ohne Vertrieb der konventionellen Auffassung eines Produktionsunternehmens widerspricht, zeigt vor allem die Tatsache, dass man in Deutschland so wenige Betriebe findet, die wie Fischer, nach dem Toyota-Prinzip fertigen. Obwohl gerade in Zeiten von Preisdruck, wachsenden Anforderungen an Flexibilität und Liefergeschwindigkeit und einer zunehmenden Produkt- und Variantenvielfalt doch alles für diese Art der Fertigung spricht. 

Für einen tieferen Einblick in die synchrone Produktion haben wir unsre Übersicht geschaffen.