Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands beruht zuallererst auf dem Erfolg von Familienunternehmen. Die durchleben verschiedene Entwicklungsphasen: Sie werden gegründet, sie wachsen, erleben Erfolge und müssen Misserfolge verkraften. Und wenn alles gut läuft, gibt es einen Nachfolger, der das Familienunternehmen weiterführt.
Anfang 2020 ist Sebastian Fischer in das Familienunternehmen Fischer System-Mechanik eingestiegen. Der Nachfolger ist mit dem Unternehmen seit Kindertagen vertraut. Wie die meisten Nachfolger in Familienunternehmen ist auch er mit dem Betrieb aufgewachsen. „Ich habe mit 12 angefangen, samstags und in den Ferien im Betrieb zu arbeiten. So konnte ich mir mit 16 den 125er Mopedführerschein leisten,“ erinnert sich Sebastian Fischer. Aber nicht nur das. Der Junior kennt die Abläufe und Besonderheiten des Betriebs und hat gelernt, dass das Unternehmen zum Familienleben dazugehört, die Familie prägt und ein großer und wichtiger Teil von ihr ist.
Für die Entscheidung, die Nachfolge anzutreten, hat sich der heute 33-jährige erst einmal Zeit genommen. Nach seinem Abitur in Trossingen und dem Wehrdienst bei der Luftwaffe startete Sebastian Fischer 2007 sein Maschinenbau-Studium und promovierte 2019 am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe der Technischen Universität Darmstadt. Die Entscheidung, die Führung des Familienunternehmens zu übernehmen, traf er 2015: „Ich musste mich bis Ende 2015 entscheiden, da mein Vater die Entscheidung zu seinem 60. Geburtstag von mir haben wollte“. Als Ingenieur nach der Promotion wäre die Alternative zum elterlichen Betrieb der Einstieg in die Automobilindustrie gewesen. „Da war mir die Übernahme des Betriebs sympathischer. Mir gefällt die Vorstellung von einem flexiblen mittelständischen Betrieb besser als die von einem großen, manchmal trägen Konzern.“
Die Vision des Nachfolgers: das Synchrone Produktionssystem weiter entwickeln
Familienbetriebe sind so flexibel, weil sich der Inhaber um Vieles kümmert und Entscheidungen im Zweifel schnell getroffen werden können. Vor allem bei strategischen Entscheidungen sind Mittelständler schneller. Die strategische Entscheidung der Vergangenheit war die Einführung des synchronen Produktionssystems, SPS. Hier ist Reinhold Fischer der Experte. In die technischen Details muss sein Sohn Sebastian noch reinwachsen. „Als Ingenieur interessieren mich natürlich die technischen Details. Besonderen Spaß aber macht es mir, den Überblick zu haben und zu verstehen, wie und warum das Unternehmen funktioniert und wo unsere Stärken liegen. Also im Prinzip die strategische Arbeit.“
Mit ihm kommt eine neue Vision ins Unternehmen. „Zunächst einmal werde ich die angefangene Transformation zur Selbstorganisation weiterführen. Darüber hinaus aber will ich unsere Alleinstellung stärken und unser Produktionssystem konsequent nach außen und nach innen tragen.“ Europaweit gilt Fischer als Vorreiter für das synchrone Produktionssystem. Jetzt will der Nachfolger die Mitarbeiter zu Experten für das SPS machen. Sebastian Fischer: „Jeder Mitarbeiter, der das will, soll die Möglichkeit bekommen, sich im SPS so fit zu machen, dass er das Produktionssystem in Zukunft in anderen Unternehmen installieren kann.“ Damit aus dieser Vision Wirklichkeit wird, entsteht bei Fischer zurzeit ein internes Weiterbildungsprojekt, mit dessen Hilfe man interessierte Mitarbeiter zu SPS-Experten macht. Dass sich diese Investition auszahlt, davon ist der Nachfolger überzeugt. „Gute Mitarbeiter sind schon heute die wichtigste Ressource eines Unternehmens. In Zukunft wird dieser Grundsatz noch mehr Gewicht bekommen. “
Reinhold Fischer übergibt das Unternehmen Schritt für Schritt
In vielen Familienunternehmen scheitert die Nachfolge daran, dass der Firmengründer nicht loslassen kann. Zu diesen Gründern gehört Reinhold Fischer nicht. 2016 hat er im Rahmen eines Sabbaticals schon einmal ausprobiert, wie es ist, nicht mehr jeden Morgen in die Firma zu gehen. Einen endgültigen Austrittstermin gibt es zwar noch nicht aber der Plan steht: Mit seinem Renteneintritt im Sommer 2021 will der Gründer anfangen, sich endgültig aus dem Unternehmen zurückzuziehen.
Derzeit bleibt er mit seiner Erfahrung noch an Bord. Sebastian Fischer ist das auch sehr recht. Durch seine Mitarbeit früher und die vielen Diskussionen daheim über betriebliche Themen habe er zwar ein gutes Bild von dem bekommen, was auf ihn zukommt. „Dass mein Start im Unternehmen aber gleich mit einer wirtschaftlichen Rezession losgeht war die erste Herausforderung. Die Folgen der Corona-Krise können zu einer noch größeren Herausforderung werden. Da bin ich natürlich sehr froh, dass ich die nicht alleine bewältigen muss.“